Mehrheitsprinzip

Bei demokratischen Entscheidungen gilt jenes Ergebnis, das von einer Mehrheit der Wählenden bevorzugt wird – das nennt man Mehrheitsprinzip. Es gibt aber unterschiedliche Arten von notwendigen Mehrheiten.
Die einfache Mehrheit bedeutet 50 % plus eine Stimme. Plus eine Stimme heißt, dass bei einem Gleichstand keine Entscheidung zustande kommt. Um in jedem Fall eine einfache Mehrheit zu bekommen, gibt es in vielen öffentlichen Einrichtungen eine ungerade Anzahl an Abgeordneten (z.B. in den meisten österreichischen Gemeinderäten).
Für manche Entscheidungen braucht man eine qualifizierte Mehrheit, z.B., wenn Verfassungsgesetze in Österreich geändert werden sollen. Hier müssen 2/3 der Abgeordneten zustimmen (Zweidrittelmehrheit).
Diese beiden Modelle gibt es dort, wo nur mit Ja oder Nein abgestimmt wird, wo also nur zwei Antwortmöglichkeiten vorhanden sind.
1978 fand in Österreich eine Volksabstimmung statt, bei der es um die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf ging. Damals stimmten 1.576.709 (49,5 %) Menschen für die Inbetriebnahme, 1.606.777 (50,5 %) waren dagegen. Das Kernkraftwerk wurde daher nicht in Betrieb genommen.
Das Mehrheitsprinzip gilt auch bei der Regierungsbildung: Eine Bundesregierung kann in Österreich dann gebildet werden, wenn sie von der Mehrheit der Abgeordneten im Nationalrat unterstützt wird (also von 92 der insgesamt 183 Abgeordneten).
Bei Wahlen kennen wir noch die relative oder die absolute Mehrheit (Mehrheitswahl).

Seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags findet im Europäischen Rat neben der einfachen Mehrheit ein weiteres Prinzip Anwendung, das man 55/65 oder doppelte Mehrheit nennt. Eine Abstimmung geht dann positiv aus, wenn 55 % der Länder mit Ja abstimmen und in diesen Ländern gleichzeitig mindestens 65 % der gesamten EU-Bevölkerung leben.


Reinhold Gärtner: Politiklexikon für junge Leute (unter Mitarbeit von Sigrid Steininger), www.politik-lexikon.at
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